In drei Tagen zu Fuss durch den vorderen Odenwald von Darmstadt nach Heidelberg: 70 km, 1.900 Höhenmeter und knapp 20 Stunden reine Wanderzeit – aufgrund der zu bewältigenden Höhe durchaus sportlich, aber natürlich machbar. Die Tour bietet von allem etwas: Wiesen, Weiden, sogar etwas Wein, herrliche Laubwälder und ab und zu auch geradezu voralpin anmutende Landschaften mit dunklen Fichten und felsigem Geläuf.
Tag 1 – Darmstadt-Eberstadt nach Lautertal-Reichenbach
Wir starten recht spät am Freitag vor Pfingsten in Darmstadt-Eberstadt und sparen uns so statt dem Start am Hauptbahnhof schonmal gute 90 Minuten an langweiligem Marsch an der Bundesstraße entlang. Aber dann geht es gleich ernsthaft los. Von Eberstadt kräftig ansteigend zur Burg Frankenstein (370m über NN) und wir sind in einer anderen, deutlich entschleunigten Welt. Wälder, Felsen, Vogelgezwitscher und heute am Freitag kaum Menschen. Nach dem Burggipfel gemütlicher Abstieg durch den Wald nach Ober-Beerbach und wieder kurz kräftig ansteigend nach Steigerts (420m über NN). Wer mag, kann eine Rast auf der Höhe im Restaurant Talblick einlegen, mit Blick auf großzügige Koppeln mit glücklichen Odenwaldpferden, weit im Norden in der Ebene die Frankfurter Skyline und dahinter der Taunus.
Wir laufen jedoch direkt weiter bei gleichbleibender Höhe in einer knappen halben Stunde durch offenes Gelände mit Blick auf unser Zwischenziel Felsberg und hübschen Norwegerpferden links und rechts des Weges zur Kuralpe-Kreuzhof, einem Gasthaus mit herrlichem Biergarten. Da bereits hier bei km 14 – recht untrainiert und mit ordentlich Gewicht auf dem Rücken – die Füße langsam zu schmerzen anfangen, legen wir eine Rast ein. Bei Tagesetappen von gut 20km bleibt wirklich viel Zeit für solche Erholungspausen. Nach einem alkoholfreien Weizen und Apfelschorle brechen wir zur letzten Steigung des Tages auf und nehmen verbleibenden 1,5 Stunden Marsch in Angriff. Wir „erklimmen“ also die weiteren rund 100 Höhenmeter des Felsberg (514m über NN) und blicken zurück nach Norden, erneut Frankfurt und die nördlichen Ausläufer des Taunus im Blick.
Nun geht es gemütlich rund 300 Höhenmeter abwärts durch das Felsenmeer nach Reichenbach, unserem ersten Etappenziel. Das Felsenmeer lässt sich heute, ohne Schulklassen und Wochenendausflügler, so richtig genießen, und es kommt bei dieser Ruhe sogar eine „sagenhafte“ Stimmung auf. Das Felsenmeer ist – der Sage nach – das Relikt einer Auseinandersetzung zweier Riesen, die sich mit den gewaltigen Steinbrocken bewarfen. Der Riese des Felsberges unterlag demjenigen des gegenüberliegenden Hohenstein und soll immer noch unter den Steinen begraben liegen. Eher wahrscheinlich ist jedoch, dass der Granitstein bereits vor rund 500 Mio. Jahren entstand und durch ein Jahrmillion dauerndes Abkühlen langsam Risse und Einschnitte bekam. Das heutige Erscheinungsbild des Felsenmeers ist dann jedoch erst eher „kürzlich“ vor rund 12.000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit entstanden. Die einzelnen Blöcke, mit Wasser in den Rissen, wurden durch abwechselnde Frost- und Tauperioden freigesprengt und rutschten nach und nach in die heutige Lage.
Bereits die Römer nutzten den Steinbruch und hinterließen über ein Dutzend halbverarbeitete Werkstücke – allen voran eine riesige Säule, die man gut direkt am Wegesrand besichtigen kann. Aber: der Zeitpunkt eines Besuchs ist unbedingt gut zu wählen ist, um nicht durch die üblichen Besuchermassen die Freude an dieser wirklich mystischen geologischen Besonderheit zu verlieren. Den ereignisreichen Tag beschließen wir mit einem einfachen aber nach der Anstrengung äußerst wohlschmeckenden Abendessen in unserer Unterkunft Zur Traube in Lautertal-Reichenbach.
Tag 2 – Lauertal-Reichenbach nach Birkenau- Löhrbach
Heute liegt die mit 26 km längste Etappe vor uns. Frühmorgens geht es nach erholsamer Nacht und ordentlichem Frühstück erstmal steil bergan, nur um gleich wieder in den klimatisch mildesten Abschnitt unserer Tour in das Gronauer Tal hinabzusteigen. Mit einem kleine Schlenker in Richtung Bensheim laufen wir durch herrliche Weinlagen. Es ist wirklich enorm, was der Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald und hier insbesondere der Vordere Odenwald auf kleinstem Raum alles zu bieten hat. Kaum aus den Weinbergen heraus, geht es kurze Zeit durch Wiesen auf dem Hohlweg-Lehrpfad des Geoparks und sodann über 200 Höhenmeter (HM) aufwärts in einen langen Abschnitt fast ausschliesslich im Wald mit schönem Mischbestand.
Wer möchte, kann ohne großen Umweg die ersten zwei Stunden im Wald durch einen kleinen Abstecher Richtung Ober-Hambach unterbrechen. Generell geht es heute durch einsame Gegenden bzw. nicht direkt durch Ortschaften, also sollten Rast und Einkehr gegebenenfalls im Vorfeld gut geplant sein. Als frühes Zwischenziel zum Beispiel für eine Mittagseinkehr bietet sich dann nach etwa 3,5 Stunden Marsch bei km 11 auch die Gaststätte Zum Steigkopf auf der gleichnamigen Erhebung an, sowie für Pferdeliebhaber das Gasthaus Zum Kreiswald im gleichnamigen Gestüt (km 14).
Nach dem immer hügeligen auf und ab im Wald auf dem Fernwanderweg E1 Schweden-Umbrien ist die zweite Hälfte der Tagesetappe dann meist in offenem Gelände. Schön ist immer wieder der Blick zur Linken in den zentralen Teil des Odenwalds sowie zur Rechten in das Rheintal und hinüber auf die Höhen des Pfälzerwalds. Es mangelt vielleicht an touristischen Highlights wie dem Felsenmeer am ersten Tag, dennoch ist die Etappe heute enorm abwechslungsreich und landschaftlich wunderschön. Aber eben auch lang… wenn wir nochmal planen könnten, würden wir wohl auf die letzten Kilometer und vor allen Dingen die strammen 200 HM hinauf bis zu unserer Unterkunft in Löhrbach (Gästehaus Rüger) gerne verzichten und lieber schon nach gut 20 km den Tag im Hauptort Birkenau beenden. Aber Unterkunft und gastronomisches Angebot lohnen: ob mit Gourmetanspruch im Lammershof mit seiner eigenen Bisonzucht, gut-bürgerlich im Gasthaus zum Krug oder zur Selbstversorgung mit örtlichen Produkten im Hofladen Jöst.
Tag 3 – Birkenau-Löhrbach nach Heidelberg
Vielfältig gestärkt und nach ruhiger Nacht mit entspannendem Bachgeplätscher gut erholt geht es auf den dritten und letzten Abschnitt. Mit gut 20 km Distanz und „nur“ 500 HM sollte es heute deutlich leichter als gestern werden. Die erste gute Stunde bestätigt das zunächst, es geht abwärts oder eben durch Wiesen mit grasenden Rehen nach Gorxheimertal und Ober-Flockenbach. Nach weiteren 6 km durch einsamen Wald kommen wir am Naturfreundehaus Kohlfeld vorbei, das für uns heute zwar zu früh für eine Mittagseinkehr liegt, aber dessen Terrasse wir gerne für einen großen Pott Kaffee annehmen. Da uns nun aber der weitere Weg zwischen Wilhelmsfeld und Heidelberg nicht mehr direkt durch eine Ortschaft führt, machen wir im Ort Halt und genießen Käsespätzle im Schriesheimer Hof. Man merkt, wir sind in Baden angekommen, es geht nun hauptsächlich um’s Essen…
Nach dieser Stärkung steigt die Vorfreude auf unseren Zielort Heidelberg und die Rückkehr in die „Zivilisation“. Große Steigungen kommen nun nicht mehr, denn Wilhelmsfeld liegt mit 450m über NN ja bereits recht hoch. Aber es sind immerhin noch 10 km ausschliesslich durch Wald, bis wir am Philosophenweg den Neckar erblicken werden. Nach einer Stunde fast unmerklichen Anstiegs erreichen wir am Weißen Stein den höchsten Punkt unserer Wanderung (518m). Den heute am Pfingstsonntag rappelvollen Biergarten lassen wir links liegen und marschieren bergab, um nach einer weiteren Stunde am Zollstock schonmal einen kurzen Schlossblick zu erhaschen. Die Nähe zu Heidelberg macht sich nun deutlich bemerkbar, die wunderschönen breiten Wanderwege sind gut frequentiert und das Durchschnittsalter der Wanderer und Mountainbiker sinkt stetig.
Und dann, um 16 Uhr des dritten Wandertages, kommen wir nach 70 km und über 1.900 HM auf dem Philosophenweg in Heidelberg an und erfreuen uns am Blick auf die Alte Brücke, die Altstadt und das Schloss. Nun geht es zielstrebig in die Altstadt auf ein kühles Hefeweizen. Füße hoch und die Strecke nochmal Revue passieren lassen: Burgen, Weiden, Wein und viel Wald auf gepflegten Wegen, dazu gemütliche Gasthäuser mit richtig gutem, preiswertem Essen. Mehr braucht’s nicht für einen unvergesslichen Kurzurlaub eine Dreiviertel Stunde von Frankfurt entfernt. Wir kommen sicher wieder, nur auf etwas anderen Pfaden, vielleicht etwas tiefer im Odenwald Richtung Erbach. Und dann definitiv mit mehr Zeit zum Fotografieren und zur Tierbeobachtung.